Klima-’Konsens’ - Kritische Sicherung der zentralen wissenschaftlichen Belege (III)
Re:look – Analyse
von Philipp Lengsfeld,
18. September 2019, editorielle Korrekturen 5. Januar 2020
Ergänzungsteil - II
Analyse der Powell-Publikationen (‚Konsens‘-Radikalposition)
Im Zuge der Veröffentlichung der re:look-Analysen zum Thema ‚scientific consensus on AGW‘ (AGW = antroprogenic global warming) wurden als Gegenargument für die re:look-These, dass ein wissenschaftlicher Konsens in dieser Frage in der Literatur nicht belegt ist, zwei Publikationen von James Lawrence Powell ins Feld geführt (Powell 2015, Powell 2016). Auch diese Arbeiten sollten natürlich einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
Powell 2015 oder das Postulat der quasi-Einstimmigkeit
Die Originalarbeit von James Powell (Powell (2015)) zeichnet sich durch eine auffällige Radikalität aus. James Powell ist ein bekannter Geologe, der auf eine lange und erfolgreiche Karriere im Wissenschaftsbetrieb zurückblicken kann. Nach 20 Jahren Arbeit am Oberlin College, Ohio (1963-83), war er Präsident des Franklin and Marshall College, Lancaster, Pennsylvania (83-88) und des Reed College, Portland, Oregon (88-91). Schließlich war er Direktor des National History Museum of Los Angeles (94-01). James Powell war jahrelang aktiver Wissenschaftsberater und ist ein Klimaaktivist, wie ein Blick auf seine Webseite dokumentiert (www.jamespowell.org).
Auffällig an beiden Arbeiten von Powell ist die massive Kritik an Cook et al. (2013). Ähnlich zu der hier vorgelegten Kritik wendet sich Powell gegen die ‚no position‘-Grundannahme von Cook et al. (2013), zieht aber eine andere Schlussfolgerung. Im Gegensatz zur re:look-Analyse folgert Powell, dass der 97%-‚Konsens‘ zu niedrig angesetzt wäre. Obwohl seine Argumentation durchaus lesenswert ist und einige relevante Gedanken enthält (‚fortunately, in contrast to most areas of human affairs, in science we do not have to rely on opinion’), wird hier auf eine tiefergehende Diskussion verzichtet.
Stattdessen sollen die von Powell alternativ vorgelegten Daten diskutiert werden. Die folgende Tabelle fasst diese zunächst zusammen.
Ergebnisse von Powell (2015) (eigene Darstellung)
Laut Powell wurden die fünf von ihm identifizierten Arbeiten, die aus seiner Sicht als ‚rejecting AGW‘ kategorisiert werden können, zum Stichtag Jan 2016 genau einmal (sic!) zitiert.
Aus seinen drei Datenpunkten (0,02% ‚rejection’ abstracts, 0,01% authors of ‘rejection’ abstracts, one citation of five rejection papers) schlussfolgert Powell, für den ‘climate consensus’ gälte ‘virtual unanimity’ (‘Quasi-Einstimmigkeit‘). Und Zitat: ‚The only possible conclusion is that there is no convincing evidence against AGW’.
Ähnlich wie bei den anderen ‘Konsens’-Autoren ist die Rhetorik in der Veröffentlichung sehr scharf und klar politisch aktivistisch: ‚Science can not speak more clearly: AGW is true.‘ James Powell versteigt sich dann zu politischen Forderungen und scheut sich auch nicht dafür Hitler, Mao und Stalin ins Feld zu führen (‚to further delay action to prevent global warming is to force science to bow to ideology and politics. Hitler, Mao, and Stalin all tried that, with results fatal for tens of millions.‘)
Es ist relativ offenkundig, dass die Herangehensweise von Powell fragwürdig und in ihrer methodischen Umsetzung sehr kritikwürdig ist. Aus der subjektiven Einschätzung eines einzelnen Wissenschaftlers von veröffentlichten, unverblindeten Titeln und Abstracts durch Identifizierung von als explizite Ablehnungen eingestuften Abstracts im Umkehrschluss einen ‚Konsens‘ zu konstruieren ist schon sehr waghalsig. Wirklich kritikwürdig ist aber die gewählte Ein-Mann-Methodik ohne jegliche Qualitätssicherung. In der folgenden Tabelle wird das Problem illustriert. Die im März 2016 veröffentlichte Arbeit bezieht sich auf wissenschaftliche Veröffentlichungen der Publikationsjahre 2013/14. Einschließlich Erstellung des Manuskripts und Einreichung hatte James Powell also maximal 1 Jahr Zeit für seine Analyse. Wieviel Zeit hat James Powell wohl für die Bewertung der jeweiligen wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufgewendet?
Zeitabschätzung des Aufwands von Powell (2014) (eigene Rechnung)
Allein basierend auf der in der Tabelle dokumentierten Abschätzung, die ja unter der Annahme läuft, dass sich James Powell kontinuierlich und in der Kernarbeitszeit ausschließlich (ohne Urlaub oder andere Unterbrechungen) auf die Analysen konzentriert hat, ergibt sich zwingend, dass Powell nur deutlich weniger als 5 min pro Arbeit investiert haben kann. Da es hochgradig unwahrscheinlich erscheint, dass James Powell tatsächlich seine gesamte Arbeitszeit für die Kernanalyse dieses Projekts aufgewendet hat, ergibt sich unter einer immer noch sportlichen Annahme von 70% seiner Zeit ein notwendiger Zeitraum von 7-8 Monaten für einen Zeitaufwand von 2-2,5 Minuten pro Abstract/Publication. Vermutlich lag die eigentlich investierte Zeit deutlich unterhalb dieses Wertes. Zusätzlich muss man in den Blick nehmen, dass Powell gemäß eigenen Angaben insgesamt über 42,000 Abstracts bis zu der im Mai 2017 erschienenen zweiten Publikation gesichtet hat (Powell (2016)).
Angesichts dieser Fakten erscheint es als äußerst unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse von Powell selbst unter seinen eigenen, sehr fragwürdigen Annahmen Bestand haben würden. Die Gegenprobe ist aber auch relativ leicht gemacht, denn es reicht vollkommen aus, dass in dem fraglichen Publikationszeitraum >20 Arbeiten identifiziert werden, deren Daten und Ergebnisse die momentan gängigen AGW-Interpretationen schwächen oder widerlegen.
Als Schlussfolgerung ergibt sich zwingend, dass die Arbeit von Powell als nicht belastbar einzustufen ist. Die 99,99%-Zahl kann man nur als unseriös einstufen. Als Beleg für einen wissenschaftlichen Klima-Konsens ist Powell (2015) untauglich.
Powell (2016) ist letztlich eine Wiederholung und Ergänzung von Powell (2015), die aber inhaltlich keine entscheidenden zusätzlichen Beiträge liefert. Sie enthält Zahlen von weiteren Powell-Analysen der Publikationen 2012 und 2015. Die folgende Tabelle fasst diese Daten zusammen.
Daten in Powell (2016) (eigene Darstellung)
Re:look Fazit (Ergänzung II)
Die von Powell in Abgrenzung zu der 97%-Zahl von Cook et al. ins Feld geführte Zahl eines 99,99%-Konsens (‚virtual unanimity‘) kann man nur als unseriös einstufen. Als Beleg für einen wissenschaftlichen Klima-Konsens ist Powell (2016) untauglich.
Die Powellsche Ein-Mann-Einschätzung eines 99,99%-‚Konsens‘ als den Beleg für die Existenz eines solchen wissenschaftlichen Konsenses in der Klimafrage heranzuziehen erscheint nicht empfehlenswert und wirft Fragen bezüglich der wissenschaftlichen Standards desjenigen auf, der diesen Beleg ins Feld führt.
Review (siehe auch Hauptteil)
Diese Ergänzung unterlief aus Zeitgründen keinem weiteren Review. Das Gesamtwerk zum Thema ‚Klima-Konsens‘ steht weiterhin für einen offenen Reviewprozess zur Verfügung.
Referenzen
Cook et al. (2013)
Cook J, Nuccitelli D, Green SA, Richardson M, Winkler B, Painting R, Way R, Jacobs P, and Skuce A (2013) Quantifying the consensus on anthropogenic global warming in the scientific literature Environ. Res. Lett. 8 024024
Powell (2015)
Powell JL (2015) Climate Scientists Virtually Unanimous: Anthropogenic Global Warming Is True Bulle-tin of Science, Technology & Society, 35 (5-6) 121 –124
Powell (2016)
Powell JL (2016) The Consensus on Anthropogenic Global Warming Matters Bulletin of Science, Tech-nology & Society 2016, Vol. 36 (3) 157 –163
Powell-Webseite
References identified by Powell as the only five paper ‘rejecting AGW’ in 24,210 publi-cations in 2013/14 dealing with climate change
Avakyan, S. V. (2013). Problems of climate as a problem of optics. Journal of Optical Technology, 80, 717-721.
Avakyan, S. V. (2013). The role of solar activity in global warming. Herald of the Russian Academy of Sciences, 83, 275-285.
Gervais, F. (2014). Tiny warming of residual anthropogenic CO 2 . International Journal of Modern Physics B, 28, 1450095.
Happer, W. (2014). Why has global warming paused? International Journal of Modern Physics A, 29, 1460003.
Hug, H. (2013). “The Climate Models are inadequate”: Heinz Hug queries the significance of CO 2 for climate change. Nachrichten Aus Der Chemie, 61, 132.
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